...das halbe Leben

Arbeit zwischen Digitalisierung und Globalisierung, Brotberuf und Selbstverwirklichung.

Eine virtuelle Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Künstler APK

Ursprünglich war die Ausstellung vom 24. April bis zum 14. Juni 2020 für das Kunsthaus Frankenthal geplant.
Der Corona-Lockdown hat die Umsetzung in der ursprünglichen Form verhindert.

Liebe Besucher!

"Arbeit ist das halbe Leben", ein altes Diktum, wer kennt es nicht? Oder auch "Ordnung ist das halbe Leben", unzählige Male mit erhobenem Zeigefinger ausgesprochen. Bei beiden Aussagen geht es um die Reglementierung unserer Lebenslust oder wie man neudeutsch sagen würde: um die Verschiebung der "work-life-balance" hin zu den lästigen Pflichten. Arbeit verlangt von uns Disziplin, die Einhaltung von Ordnung; Diese Tugenden haben sich als stereotyp für unsere Landsleute entwickelt, weshalb wir Deutschen in der Welt auch als besonders arbeitsam gelten. Beide Mahnworte suggerieren aber zugleich eine Vision von Daseinsberechtigung oder dem Wert eines Menschen: Dieser Teil des Lebens definiert eine Person, während "die Freizeit" Privatsache ist und zum Einordnen des Menschen nicht herangezogen wird. Sehen wir es positiv, dann ist Selbstverwirklichung und Selbstbestätigung im Job möglich, ist unsere Sicht weniger zuversichtlich, wird er zur belastenden Existenzsicherung. Zwischen diesen Polen oszilliert unsere gesellschaftliche Definition dessen, was wir Arbeit nennen.
Natürlich kann der ordnende Rahmen einer Arbeit Halt bieten; viele Menschen fallen mit dem Tag ihrer Pensionierung in das berühmte schwarze Loch. Der Tagesrhythmus ist außer Kraft gesetzt oder zumindest neu zu bestimmen, die Abfolge von Spannung und Entspannung muss neu einjustiert werden - Ähnliches beobachten wir bei der uns gerade überrollenden Pandemie.
 
Gerade die derzeitige Krise nötigt uns eine Abwendung von traditionellen Arbeitsvorstellungen ab. Die Arbeit findet nicht mehr an ihrem angestammten Ort statt. Das wäre mittelfristig auch ohne die Krise passiert, allerdings viel langsamer, vielleicht sogar unmerklich; moderne Formen der "New Work" stellen Homeoffice in den Fokus, richten Co-Working-Spaces für Kollegen ein, "fahren" einen New-Leadership-Ansatz. Kurz, sie verlangen nach anderen Strukturen als der gestrigen "Top-down"-Mentalität. Darin liegen selbstverständlich sowohl Chancen wie auch Risiken!
 
Die Gegenwart sucht nach Arbeitsmodellen, die Sinnerfüllung, Teamgeist und Zufriedenheit versprechen. Wie schon bemerkt wird der definierte Arbeitsort verzichtbar. Eigenverantwortung und vor allem Kreativität sind gefragt. Sehr verheißungsvoll! Aber wie so oft hat die Euphorie auch ihre Grenzen. Bei aller Durchmischung von Arbeit und Freizeit - wie kann ich da richtig abschalten, bin ich nicht immer online, ist das alles nicht eine Steilvorlage für Selbstausbeutung?
Das kommt uns bekannt vor und findet sich, als geradezu chronisches Gefahrenpotential, in künstlerischen Berufen.
 
Natürlich sind sinnstiftende Aufgaben erfüllender als Geschäftsroutine, kreative Freiräume und gemeinwohl-orientierte Ziele befriedigender als undurchsichtige Methoden zur Gewinnoptimierung. Bei den meisten Künstlern ist Geld (notgedrungen) nicht der große Motivator. Aber kann nicht die Entkopplung der Arbeit vom Geld gerade eine Chance auftun, Sinn in der Arbeit zu finden und damit die beste Motivationsquelle überhaupt sein? Genau in diese Richtung laufen die Überlegungen der  modernen Arbeitswelt und ich denke, diesbezüglich kann man bei Bildenden Künstlern viel Anregendes finden. Beispielsweise müssten Tages- und Wochenabläufe gemäß der Einsicht gestaltet werden, dass sich Kreativität nicht an Stundenpläne hält. Selbstkritischer Umgang mit Ideen ist besonders dann wichtig, wenn zu zweckoptimistisch geplant wird. Und natürlich wäre das Gebot, sich Wahrhaftigkeit abzuverlangen, oftmals wieder stärker in den Fokus zu rücken.
Ich glaube, vieles davon ist in der vorliegenden - jetzt leider lediglich virtuell präsentierten - Ausstellung in den Werken unserer APK-Kollegen aufzuspüren.

Ich wünsche den Betrachtern jedenfalls eine anregende Auseinandersetzung mit dem Thema und den gezeigten, teilweise eigens für die Ausstellung geschaffenen Werke.   

Stefan Engel, Vorsitzender APK, 28.03.2020


Headergrafik unter Verwendung einer Fotomontage von Thomas Brenner

Preis-Liste "...DAS HALBE LEBEN" PDF